"Demokratie! - Nein Danke?"

Am 03. Februar 2010 wurden die Ergebnisse der neuen Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung im Leipziger Büro der Stiftung vorgestellt. Im Zuge seiner Analyse kommt der Politologe Serge Embacher zu dem Schluss, dass die Demokratie in Deutschland in einer tiefen Krise stecke. Er hält es demnach nicht für ausgeschlossen, dass der Demokratie in der BRD die Existenzgrundlagen entzogen werden.

Um den Weg aus der beschriebenen Krise zu finden, schlägt Embacher unter anderem mehr Partizipationsmöglichkeiten für die Bürger vor.

Das Buch zur Studie

Die Teilnehmerresonanz war enorm, sodass die sichtlich erfreuten Veranstalter noch kurz vor Beginn zusätzliche Stühle aufstellen mussten.
Vom oft zitierten Politikverdruss also nichts zu spüren, könnte man meinen. In der Tat stellte Herr Dr. Serge Embacher gleich am Anfang seines Referats eines der zentralen Ergebnisse der besprochenen Studie deutlich heraus: Es handelt sich in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung nicht um einen generellen Politik- , als vielmehr um einen Politikerverdruss. Offenbar hegen die Menschen ein tiefes Misstrauen gegen ihre Repräsentanten und die üblichen Mechanismen der politischen Entscheidungsfindung. Dementsprechend wird es den Politikern mehrheitlich nicht zugetraut, die Bedürfnisse der Bürger befriedigen und die Probleme und Aufgaben in Zukunft gerecht lösen zu können. Zusätzlich befeuert werden diese Gefühle der Menschen von einer großen Unsicherheit hinsichtlich der persönlichen materiellen Zukunft quer durch die gesellschaftlichen Schichten.
Es ist Serge Embacher hoch anzurechnen, dass er einerseits die Zuhörer nicht mit endlos langen Zahlenreihen überhäuft und vom Thema entfernt hat, und andererseits nicht versucht hat hinlänglich bekannte Zusammenhänge als originell darzustellen. Sehr zurecht erntete er breite Zustimmung aus dem Publikum.
Nachdem nun die Krise der Demokratie mit einigen Reflexionen und Gedanken über Symptome skizziert wurde, stellte Herr Embacher einige wenige Vorschläge zu Verbesserung der Demokratie, oder besser zur Verbesserung des Verhältnisses von Bürgern und ihrer Demokratie zur Diskussion. Hauptsächlich zwei Dimensionen der Veränderung wurden dabei herausgestellt. Erstens: Die Politik muss wieder sozialer bzw. gerechter werden, denn je sozialer die Gesellschaft wahrgenommen wird, desto höher ist das Vertrauen in die Demokratie. Zweitens müssen nach Embachers Meinung die Instrumente der Partizipation gefördert, ausgebaut und brauchbarer gemacht werden. Mehr Demokratie e.V. weist seit Jahren auf den positiven Zusammenhang von brauchbaren Möglichkeiten zur Partizipation und Einflussnahme und Akzeptanz des Systems hin.
Im Anschluss an den Vortrag sollten die Ergebnisse vom Podium und dem Publikum diskutiert werden. Doch zu einer moderierten Diskussion kam es nicht, da das Publikum unmittelbar die Leitung der weiteren Veranstaltung übernahm und den Moderator quasi überrumpelten. Der Moderator und das Podium waren sichtlich überrascht und verharrten eine ganze Weile in Schockstare. Die Beiträge der Anwesenden waren thematisch sehr unterschiedlich und wurden mehr und mehr zu Befindlichkeitsbekundungen verschiedener Anwesender mit der Konsequenz, dass der rote Faden frühzeitig riss und die Diskussion zusehends zerfaserte. Damit wurde allerdings auch die Möglichkeit verschenkt, bedenkens- und bemerkenswerte Gedanken gemeinsam zu vertiefen.
Zum Schluss noch eine Anmerkung: Sowohl die Studie, als auch die Mehrzahl der Äußerungen des Publikums haben gezeigt, dass Demokratie in Deutschland nach wie vor in erster Linie als Herrschaftsform gesehen und wahrgenommen wird, als ein Netz von Institutionen, die gleichsam Rahmen, Wesen und Essenz der Demokratie seien. Demokratie als persönliche und soziale Verfasstheit, als Lebens- und Gesellschaftsform scheinen im Bewusstsein der Menschen bestenfalls nachgeordnet. Doch diese Einschätzung greift zu kurz: Die Demokratie als Idee erhält ihre Energie und Kraft nicht von oben, von den Institutionen, sondern vielmehr von den Menschen selbst, durch ihren Willen, Freiheit, Gleichheit und Gemeinschaftlichkeit zu den Prämissen des eigenen Handelns sowie zu den Eckpfeilern der Gesellschaft zu machen. Die Form der Organisation von Herrschaft und der Institutionalisierung von Macht ist diesem ursprünglichen demokratischen Impuls nachgeordnet und wirkt im idealen Fall stabilisierend.