Die Briefwahl in den USA: Der Faktencheck

Die Briefwahl ist in den USA zu einem hochpolitischen Thema geworden. Während der US Präsident Wahlbetrug deklariert, sehen andere die Briefwahl als unerlässliches Mittel für eine Wahl in Zeiten der Pandemie. In diesem Beitrag räumen wir mit dem Mythos Wahlbetrug auf und geben einen Überblick, wie die Briefwahl in den USA überhaupt funktioniert. Das Thema Briefwahl wird auch in Deutschland immer relevanter,  zunächst bei den Kommunalwahlen in NRW am 13. September.

Kein steigender Wahlbetrug durch Briefwahl

Betrug bei der Briefwahl ist laut einer Studie des Brennan Centers historisch gesehen selten. In Oregon – einem Bundesstaat, der hauptsächlich per Post abstimmt – wurden seit dem Jahr 2000 nur etwa ein Dutzend Betrugsfälle bei mehr als 100 Millionen Stimmzetteln dokumentiert, so das rechtswissenschaftliche Institut der New York University. Die wiederholten Aussagen des US-Präsidenten, eine verstärkte Briefwahl führe zu mehr organisiertem Wahlbetrug sind also falsch. Auch seinen Aufruf Anfang September, Briefwählende sollten auch im Wahllokal versuchen, ihre Stimme abzugeben, verurteilen Behörden als Aufforderung zum Wahlbetrug. Gleichzeitig beeinflussen diese Aussagen des Präsidenten das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in den Wahlprozess, vor allem in die Briefwahl. Aufgrund der hohen Infektionsraten in den USA ist es jedoch wichtig, dass ein großer Teil der Wahlbevölkerung ihre Stimme per Briefwahl abgibt, um große Versammlungen vor Wahllokalen, wie es sie bei den Vorwahlen 2020 schon gab zu vermeiden.

 

Ein Überblick zur Briefwahl in den US-Bundesstaaten

  • Jeder Bundesstaat bietet die Möglichkeit zur Briefwahl an. In manchen Staaten ist die Briefwahl an bestimmte Bedingungen geknüpft, nicht jede Person kann Briefwahlunterlagen beantragen.   
  • In vielen Staaten ist die Hürde zur Briefwahl relativ hoch. In Alabama etwa muss ein triftiger Grund angegeben werden, um die Briefwahl beantragen zu können. Dazu gehören Krankheit, eine Arbeitsschicht am Wahltag, die länger als zehn Stunden dauert, oder ein Aufenthalt außerhalb des Landes.
  • In Alaska wird ein Führerschein oder ein Personalausweis benötigt, um per Brief wählen zu können. Da in den USA nicht jede Person in Besitz eines solchen Dokuments ist, werden dadurch einige automatisch von der Briefwahl ausgeschlossen.
  • Auch muss in Alaska eine berechtigte Person die Briefwahl bezeugen.
  • In einigen Staaten müssen Briefwähler die Kosten des Briefumschlags selbst tragen.
  • In Staaten wie Kalifornien und Florida ist die Briefwahl bedingungslos. Auch besteht die Möglichkeit, sich für alle zukünftigen Wahlen für die Briefwahl zu registrieren.
  • In fünf Bundesstaaten (Washington, Hawaii, Oregon, Utah, Colorado) wurden schon vor Covid-19 Wahlen nur per Briefwahl abgehalten. Dabei werden allen registrierten Wählenden Informationen zu Kandidatinnen und Kandidaten mit dem Wahlzettel mitgeschickt. Dies habe die Wahlbeteiligung erhöht, vor allem unter der Bevölkerung, die statistisch am wenigsten wählt. Quelle: https://ballotpedia.org/All-mail_voting

 

Komplikationen bei der Briefwahl aufgrund von Covid-19   

  • Die Post in den USA ist aufgrund der Pandemie stark verzögert. Bei einigen Vorwahlen kamen nicht alle Unterlagen rechtzeitig bei den Wählerinnen und Wählern an, auch die ausgefüllten Briefwahlunterlagen erreichten nicht rechtzeitig das Wahllokal. Noch dazu steckt die Post in den USA in einer langfristigen finanziellen Krise. Damit verzögert sich die Auslieferung der Wahlunterlagen weiter.
  • In den Staaten, in denen immer noch ein triftiger Grund für die Briefwahl angegeben werden muss, gilt die Furcht vor Ansteckung mit dem Coronavirus nicht in allen Staaten als solch ein triftiger Grund.

 

Lösungen, wie die Briefwahl sicherer gestaltet werden kann

  • Early voting, oder frühzeitige Wahl, ermöglicht es registrierten Wählerinnen und Wählern frühzeitig an einem Wahllokal zu wählen. In manchen Staaten ist die frühzeitige Wahl nur aus einem triftigen Grund möglich. Aufgrund der Pandemie besteht seit April 2020 in 40 Staaten sowie dem District of Columbia die Möglichkeit der frühzeitigen Wahl, ohne einen Grund angeben zu müssen.
  • Automatische Briefwahl: alle registrierten Wählerinnen und Wähler erhalten automatisch je nach Bundesstaat entweder ein Antragsformular zur Briefwahl oder direkt ihre Briefwahlunterlagen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit des Gangs zur Wahlurne. Staaten mit permanenter, automatischer Briefwahl sind Washington, Oregon, Hawaii, Utah, Colorado. Als Reaktion zur Pandemie haben weitere 22 Staaten die automatische Briefwahl oder die automatische Zusendung des Briefwahlantrags (9 Staaten) eingeführt. Nicht alle gelten schon für die Präsidentschaftswahl im November.
  • In einigen Staaten gibt es die Option, die Briefwahlunterlagen beim Wahlamt persönlich abzugeben oder in eine designierte Briefwahlkasten einzuwerfen. Jedoch hat das Wahlkampfteam um Donald Trump gegen die Aufstellung solcher Briefwahlkasten im Bundesstaat Pennsylvania Klage eingereicht. Ein Bundesrichter gab darauf einem Antrag der American Civil Liberties Union und anderer Organisationen statt, sich der Entscheidung in dieser Angelegenheit zu enthalten.
  • In den meisten Bundesstaaten müssen die Briefwahlunterlagen spätestens am Wahltag beim Wahlamt eingetroffen sein. Aufgrund der stark verzögerten Auslieferung könnten Briefwahlunterlagen stattdessen bei rechtzeitiger Abstempelung für gültig erklärt werden. Im Staat Illinois etwa ist eine Briefwahlunterlage gültig, solange sie am Wahltag abgestempelt wurde und innerhalb von 14 Tagen nach dem Wahltag bei der zuständigen Behörde eingetroffen ist.
  • In vielen Bundesstaaten müssen die Wählenden selbst für die Kosten der Briefwahlunterlagen aufkommen. Vorfrankierte Briefwahlunterlagen, wie es in Deutschland der Fall ist, würden die Hürden zur Briefwahl verringern. Nachdem in Sozialen Medien berichtet wurde, dass Briefwahlunterlagen ohne ausreichende Frankierung nicht ausgeliefert würden, erklärte die Nationale Post (USPS), dass alle Unterlagen, auch die ohne ausreichende Frankierung ausgeliefert werden.

  

Ein Schwenk nach Deutschland

Auch hierzulande sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 13. September spürbar.

 

Regeln zur Briefwahl in NRW

  • Briefwahlunterlagen müssen schriftlich oder mündlich beantragt werden.
  • Briefwahlunterlagen können bis zum Freitag vor dem Wahltag, 18 Uhr und in besonderen Fällen auch am Wahltag bis 15 Uhr beantragt werden.
  • Holt die oder der Wahlberechtigte persönlich die Briefwahlunterlagen ab, so soll ihr oder ihm die Gemeindebehörde Gelegenheit geben, die Briefwahl an Ort und Stelle auszuüben.
  • Der Wahlbrief muss spätestens am Wahlsonntag bis 16.00 Uhr bei der dafür zuständigen Stelle vorliegen.

Quelle: https://www.land.nrw/de/faq-frage-und-antwort/wahlen-26

 

In einem Eckpunktepapier stellt der Landesverband Mehr Demokratie NRW folgende Forderungen um die Wahl im September im Kontext der Pandemie noch sicherer zu gestalten:

  • Briefwahlunterlagen sollen automatisch an alle Wahlberechtigten verschickt werden. Ein Antrag auf Briefwahl wäre damit nicht notwendig. Die Briefwahlunterlagen sollen gemeinsam mit Wahlbenachrichtigung und Abstimmungsheft verschickt werden.
  • Auf die Möglichkeit der Vorab-Wahl in den Bürgerämtern soll verstärkt hingewiesen werden.
  • Die Wahl im Wahllokal soll möglich bleiben. Um entsprechende Hygienevorschriften einzuhalten, sollten möglichst große Räumlichkeiten gewählt werden.

Durch die Pandemie fehlt es Wahllokalen außerdem an freiwilligen Wahlhelfern, da diese verstärkt zur Risikogruppe gehören. Der Landesverband von Mehr Demokratie in NRW hat deshalb die Aktion „Wahlhelfer 2020“ gestartet, um Kommunen durch die Vermittlung Freiwilliger zu unterstützen: https://nrw.mehr-demokratie.de/news-einzelansicht/news/als-wahlhelferin-kann-man-vor-ort-unsere-demokratie-aktiv-unterstuetzen/

 

 

Mehr Informationen zu Wahlen in Zeiten von Corona: https://www.mehr-demokratie.de/news/voll/wahlen-und-der-infektionsschutz-ein-ueberblick/

Mehr Informationen für US-Bürger, die im Ausland wählen: https://www.votefromabroad.org/