Neue Reihe "Gedanken zur Demokratie"

Der Landesvorstand von Mehr Demokratie Sachsen greift ab sofort aktuelle Themen und Fragen zur Demokratie auf und wird mit einer neuen Reihe vierteljährlich Denkanstöße liefern.

Welche Baustellen hat die Demokratie? Wo liegen Chancen für mehr Demokratie in Sachsen, Deutschland und Europa und wie sehen mögliche Perspektiven aus? Was sind die Ideen und Ansätze von Mehr Demokratie? Der Landesvorstand von Mehr Demokratie Sachsen greift Fragen wie diese in der Reihe "Gedanken zur Demokratie" auf und möchte so Denkanstöße geben für kleinere und größere Debatten zur Zeit geben.

Los geht es mit dem Beitrag "Zusammenhalten". Er kann hier heruntergeladen werden. Alle Artikel zu "Gedanken zur Demokratie" stehen auch im Bereich "Landesvorstand" auf dieser Webseite zur Verfügung.

 

ZUSAMMENHALTEN

Beitrag des Landesvorstands, viertes Quartal 2022

 

Lasst uns den sozialen Zusammenhalt auf der lokalen Ebene neu knüpfen!
Warum wir unsere Regionalgruppen in Sachsen ausbauen wollen:

Als gemeinnütziger und mitgliederorientierter Verein ist es auf den ersten Blick selbstverständlich, dass wir auch ehrenamtliche Mitarbeit unter den Mitgliedern fördern wollen. Aus Sicht des Landesvorstands können Regionalgruppen aber kein Selbstzweck sein oder Verstärker der Vereinsarbeit. Als Akteure vor Ort geht es nicht zuletzt darum, dass demokratische Gemeinwesen und das soziale Miteinander wieder aufzurichten und damit zu stärken.

Warum sollte das soziale Miteinander gestärkt werden?

Vieles spricht dafür, dass zusammenhaltende Gesellschaften eher in der Lage sind, die Herausforderungen zu meistern, die diese stürmischen Zeiten des Wandels mit sich bringen.

Starker Zusammenhalt lässt sich nicht erzwingen. Jedoch können alle gesellschaftlichen Akteure etwas dazu beitragen, damit die Rahmenbedingungen gegeben sind, unter denen er sich besser entfalten kann.

Unser Ehrenamt im Landesverband baut auf den nachstehenden Schlussfolgerungen auf:

  • Wenn nennenswerte Teile der Bevölkerung arm sind oder von Armut gefährdet, schadet das dem gesellschaftlichen Miteinander und dem sozialen Frieden. Sozial-, bildungspolitische und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die dazu beitragen, die gesellschaftliche Teilhabe dieser Bevölkerungsgruppen zu erhöhen und Ungleichheiten abzubauen, fördern daher auch den Zusammenhalt.
     

  • Eine Vielfalt an Lebensstilen, Kulturen und Religionen macht die Herstellung von Zusammenhalt in der Gesellschaft anspruchsvoller, aber sie ist grundsätzlich kein Hindernis für ein gelingendes Miteinander. Die Einübung in Vielfalt dient dem Abbau von Fremdheitserfahrungen und Ängsten.
    Das jedenfalls legt die Tatsache nahe, dass die Akzeptanz von Andersartigkeit dort höher ist, wo viele Migranten leben. Wenn gesellschaftliches Miteinander mehr als ein friedliches Nebeneinander sein soll, braucht es Gelegenheiten zu Kontakt und Austausch zwischen den Angehörigen unterschiedlicher kultureller Gruppen. Gegenseitiger Respekt und die Anerkennung unterschiedlicher Werthaltungen sind eine wichtige Basis für einen solchen Dialog, der nie enden darf.
     

  • Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist auch eine Frage der Haltung: Bürger, die Offenheit beweisen und ein Gespür dafür haben, dass Menschen unabhängig von sozialem Status, Herkunft und Kultur etwas Grundsätzliches verbindet, tun dem sozialen Miteinander gut.

 

Die Bereitschaft für ein Engagement ist jedoch auch davon abhängig, wie sehr man sich als Teil der Gesellschaft sieht, Respekt und Anerkennung erfährt.

Es braucht daher mehr Gespür dafür, wo Ausschlussmechanismen greifen – gesellschaftliche Minderheiten müssen dabei ebenso im Blick sein wie diejenigen, die sich sozial abgehängt fühlen und auch die „alte Mittelklasse“, die sich mit ihren Wertvorstellungen nicht mehr ernst genommen fühlt.

Eine besondere Bedeutung kommt deshalb der aktiven Gestaltung des Gemeinwesens in der lokalen Ebene zu.

Hier begegnen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft, Kultur und Religion, hier können sie sich konkret einbringen und Selbstwirksamkeit erfahren. Die Hilfsbereitschaft bei der Versorgung und Integration der Geflüchteten zeigt, wie groß das Potenzial in der Bevölkerung ist.

Zugleich ist vielerorts spürbar, dass die alten „Modelle von Ehrenamt“ nicht mehr passgenau erscheinen. Nicht zuletzt deswegen, weil die Gesellschaft mobiler, digitaler und heterogener geworden ist.
Die Infrastruktur für Engagement ist deswegen auf Erneuerung angewiesen, sie muss inklusiver und flexibler werden, damit auch die gesellschaftlichen Gruppen angesprochen werden, die das traditionelle Ehrenamt bislang nicht erreicht hat. Grundsätzlich sollten Verwaltung und Politik das bürgerschaftliche Engagement noch ernster nehmen, als gestaltende Kraft auf Augenhöhe und nicht als Lückenbüßer für fehlende Mittel der öffentlichen Hand.

Ein demokratisches Gemeinwesen, das immer vielfältiger wird, immer stärker globalisiert ist und sich tiefgreifenden technologischen und umweltpolitischen Veränderungen gegenübersieht, kommt nicht umhin, das soziale Miteinander gerade auch im Sinne künftiger sozialer Gerechtigkeit aktiv zu gestalten

Eine funktionierende und wehrhafte Demokratie darf es auch nicht länger zulassen, dass Verluste stets zum Nachteil des Gemeinwesens vergesellschaftet und Gewinne ausschließlich privatisiert werden. Die permanente Umverteilung von unten nach oben und die extreme Ungleichverteilung von Eigentum und Vermögen in unserer Gesellschaft gefährden die Demokratie als Staatsform.

Im zwingenden Veränderungsprozess sind alle gefragt – Politik und Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften, Sozialverbände und Religionsgemeinschaften. Sicher ist, dass der Weg nach vorne führt und nicht zurück. Unsere Regionalgruppen können sich bei der Initiierung und Moderation notwendiger gesellschaftlicher Veränderungen mit den verantwortlichen Akteuren vor Ort, also auf ihrer kommunalen Ebene einbringen. Dabei gilt es, Verbündete zu gewinnen und Netzwerke aufzubauen.

Die alte Übersichtlichkeit gibt es nicht mehr, und sie zu erzwingen – indem diejenigen ausgeschlossen werden, die die vermeintliche Homogenität stören –, ist keine Lösung. Das heißt nicht, dass die Sehnsüchte, die mit dem verbunden sind, was einmal war, keinen Bestand mehr haben. Das gilt auch für die Sehnsucht nach Heimat. Für sie muss es auch in einer veränderten Welt einen Ort geben.

Den Boden dafür bereitet ein starker gesellschaftlicher Zusammenhalt. „Ich glaube, Heimat weist in die Zukunft, nicht in die Vergangenheit. Heimat ist der Ort, den wir als Gesellschaft erst schaffen. Heimat ist der Ort, an dem das ‚Wir‘ Bedeutung bekommt. So ein Ort, der uns verbindet – über die Mauern unserer Lebenswelten hinweg“ (Frank-Walter Steinmeier 2017).

Wir stehen ein für ein dichtes soziales Gefüge in Sachsen, für ein demokratisches Gemeinwesen!

Oktober 2022
Der Landesvorstand