Bilanz für 2022: Sechs Bürgerbegehren in Sachsen, aber kein Bürgerentscheid

+++ Mehr Demokratie e.V. sieht weiteren Reformbedarf +++

Im vergangenen Jahr gab es in Sachsen sechs Bürgerbegehren in Kommunen, wie der Landesverband des Vereins Mehr Demokratie am heutigen Donnerstag (12.01.) mitteilte. Allerdings fand kein Bürgerentscheid statt. Häufiger als in anderen Bundesländern liegt das in Sachsen am hohen Anteil unzulässiger Bürgerbegehren. Mehr Demokratie kritisiert, dass bei der Reform der direkten Demokratie im vergangenen Februar wichtige Verbesserungen an dieser Stelle ausblieben.
Die Anzahl an Bürgerbegehren im Jahr 2022 entspricht dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre und ist gleichzeitig ein leichter Anstieg gegenüber den Jahren 2020 und 2021. Die Hälfte der Bürgerbegehren fand in den größten Städten statt, zwei in Dresden und eines in Leipzig. Zwei Bürgerbegehren, in Weißwasser und Regis-Breitingen, waren aus formalen Gründen unzulässig.

Insgesamt wurden in Sachsen seit 1993 mehr als 40 Prozent aller Bürgerbegehren für unzulässig erklärt. „Bürger engagieren sich, sammeln wochenlang Unterschriften und am Ende scheitert alles an formalen Gründen. Das sorgt nur für Frust und kann am Ende niemand wollen“, sagt Peter Böhme, Vorstandssprecher des Landesverbands Sachsen von Mehr Demokratie.

Der Landtag hatte im vergangenen Februar eine Reform von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden verabschiedet. Dadurch wurden die Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gesenkt. „Die Reform war ein guter Schritt. Allerdings hat es die Koalition komplett vergessen, auch die Qualität der direkten Demokratie zu verbessern“, kritisiert Böhme. So sei zum Beispiel der Kostendeckungsvorschlag eine hohe Gefahr für unzulässige Bürgerbegehren. „Der Kostendeckungsvorschlag ist ein Papiertiger und ein Musterbeispiel dafür, wie man gute Beteiligung verhindert“, so Böhme. Auch fehle ein amtliches Beratungsangebot für Bürgerbegehren. In vielen Punkten könne man sich ein Beispiel am Nachbarland Thüringen nehmen, wo es sogar ein eigenes Gesetz für die direkte Demokratie in den Kommunen gibt.

Durch die niedrigeren Quoren sei davon auszugehen, dass es in den kommenden Jahren mehr Bürgerbegehren in Sachsen geben wird. „Das ist positiv, denn je mehr direkte Demokratie geübt wird, desto selbstverständlicher wird das Engagement der Bürger für alle Beteiligten“, sagt Böhme.
Die Landeshauptstadt Dresden hat die meiste Erfahrung mit Bürgerbegehren. Mit insgesamt 17 Bürgerbegehren seit 1993 liegt Dresden in Sachsen mit Abstand auf Platz eins und auch im bundesweiten Vergleich auf einem Spitzenplatz.
 

Hintergrund

Mehr Demokratie e.V. erfasst in Kooperation mit der Forschungsstelle für Bürgerbeteiligung an der Bergischen Universität Wuppertal und der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie an der Philipps-Universität Marburg alle Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Deutschland. Alle zwei Jahre wird ein Bürgerbegehrensbericht veröffentlicht. Den Bericht aus dem Jahr 2020 finden Sie im Anhang.
 

Für Rückfragen:

Peter Böhme, Sprecher des Landesvorstands Sachsen von Mehr Demokratie e.V., 0179 2609812
Christian König, Mitarbeiter des Landesverbands Sachsen von Mehr Demokratie e.V., 0151 22017276